Bitte, bitte: seit 1992 sammle ich Jahr für Jahr in einem diary Gedichte, Sprüche, Zitate die mir gefallen. Für dieses Jahr ist mein Buch so leer. Wer kann mir denn was nettes hier rein schreiben? Ich biete dagegen an, meine Lieblingssprüche, -zitate und Gedichte zum Besten zu geben Ich fang mal mit einem Liebesgedicht an (schmacht): Glückes genug Wenn sanft du mir im Arme schliefst, Ich deinen Atem hören konnte, Im Traum du meinen Namen riefst, Um deinen Mund ein Lächeln sonnte - Glückes genug. Und wenn nach heißem, ernstem Tag Du mir verscheuchtest schwere Sorgen, Wenn ich an deinem Herzen lag Und nicht mehr dachte an ein morgen - Glückes genug. Detlev von Liliencron (1844-1909)
Die Entwicklung der Menschheit Erich Kästner Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt, behaart und mit böser Visage. Dann hat man sie aus dem Urwald gelockt und die Welt asphaltiert und aufgestockt, bis zur dreißigsten Etage. Da saßen sie nun, den Flöhen entflohn, in zentralgeheizten Räumen. Da sitzen sie nun am Telefon. Und es herrscht noch genau derselbe Ton wie seinerzeit auf den Bäumen. Sie hören weit. Sie sehen fern. Sie sind mit dem Weltall in Fühlung. Sie putzen die Zähne. Sie atmen modern. Die Erde ist ein gebildeter Stern mit sehr viel Wasserspülung. Sie schießen die Briefschaften durch ein Rohr. Sie jagen und züchten Mikroben. Sie versehn die Natur mit allem Komfort. Sie fliegen steil in den Himmel empor und bleiben zwei Wochen oben. Was ihre Verdauung übrig lässt, das verarbeiten sie zu Watte. Sie spalten Atome. Sie heilen Inzest. Und sie stellen durch Stiluntersuchungen fest, dass Cäsar Plattfüße hatte. So haben sie mit dem Kopf und dem Mund den Fortschritt der Menschheit geschaffen. Doch davon mal abgesehen und bei Lichte betrachtet sind sie im Grund noch immer die alten Affen
@ Flo: das meinte ich (kennst dus viell. doch?) Erich Kästner[size=-1]<<[/size] [size=+1][size=-1]~[/size] [size=-1]>>[/size] [/size] Sachliche Romanze Als sie einander acht Jahre kannten (und man darf sagen: sie kannten sich gut), kam ihre Liebe plötzlich abhanden. Wie andern Leuten ein Stock oder Hut. Sie waren traurig, betrugen sich heiter, versuchten Küsse, als ob nichts sei, und sahen sich an und wußten nicht weiter. Da weinte sie schließlich. Und er stand dabei. Vom Fenster aus konnte man Schiffen winken. Er sagte, es wäre schon Viertel nach Vier und Zeit, irgendwo Kaffee zu trinken. Nebenan übte ein Mensch Klavier. Sie gingen ins kleinste Café am Ort und rührten in ihren Tassen. Am Abend saßen sie immer noch dort. Sie saßen allein, und sie sprachen kein Wort und konnten es einfach nicht fassen.
Sozusagen in der Fremde Er saß in der großen Stadt Berlin an einem kleinen Tisch Die Stadt war groß, auch ohne ihn. Er war nicht nötig, wie es schien. Und rund um ihn war Plüsch. Die Leute saßen zum greifen nah, und er war doch allein. Und in dem Spiegel in den er sah, saßen sie alle nocheinmal da, als müsse das so sein. Der Saal war blaß vor lauter Licht. Es roch nach Parfum und Gebäck. Und in dem Spiegel in den er sah, saßen sie alle nocheinmal da, als müsse das so sein. Er strich das weiße Tischtuch glatt und blickte in das Glas. Fast hatte er das Leben satt. Was wollte er in dieser Stadt, in der er einsam saß? Da stand er in der Stadt Berlin auf von dem kleinen Tisch. Keiner der Menschen kannte ihn. Da fing er an den hut zu ziehn! Not macht erfinderisch. Erich Kästner
Monolog eines Blinden Alle, die vorrüber gehn, gehn vorbei. Sieht mich, weil ich blind bin, keiner stehn? Und ich steh seit drei... Jetzt beginnt es noch zu regnen! Wenn es regnet, ist der Mensch nicht gut. Wer mir dann begegnet tut, so, als würde er mir nicht begegnen. Ohne Augen steh ich in der Stadt. Und sie dröhnt, als stünde ich am Meer. Abends lauf ich hinter meinem Hunde her, der mich an der Leine hat. Meine Augen hatten im August ihren zwölften Sterbetag. Warum traf der Splitter nicht die Brust und das Herz, das nicht mehr mag? Ach, kein Mensch kauft handgemalte Ansichtskarten, denn ich hab kein Glück. Einen Groschen, Stück für Stück! Wo ich selber sieben Pfennig zahlte. Früher sah ich alles so wie sie: Sonne, Blumen, Frau und Stadt. Und wie meine Mutter ausgesehen hat, das vergess´ich nie. Krieg macht blind. Das sehe ich an mir. Und es regnet. Und es geht der Wind. Ist denn keine fremde Mutter hier, die an ihre eignen Söhne denkt? Und kein Kind dem die Mutter etwas für mich schenkt? Erich Kästner
Man Muss den Dingen Die eigne, stille, ungestörte Entwicklung lassen die tief von innen kommt, und durch nichts gedrängt oder beschleunigt werden kann; alles ist auszutragen - und dann Gebären Reifen wie der Baum, der seine Säfte nicht drängt Und getrost in den Stürmen Des Frühlings steht, ohne Angst, dass dahinter kein Sommer kommen könnte. Er kommt doch! Aber er kommt nur zu den Geduldigen, die da sind, als ob die Ewigkeit vor ihnen läge, so sorglos still und weit... Mann muß Geduld haben, gegen das Ungelöste im Herzen. und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben, wie verschlossene Stuben, und wie Büche, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind. Es handelt sich darum, alles zu leben. Wenn man die Fragen lebt, lebt man villeicht allmählich ohne es zu merken eines fremden Tages in die Antwort hinein. Rainer Maria Rilke
(eigentlich kein Gedicht, aber es wollte mal gesagt werden) Definitionsschwierigkeiten In Zeiten, wo man mit jemand befreundet sein kann, ohne Sex zu haben und wo man Sex haben kann, ohne befreundet zu sein, in Zeiten wo man alles und nichts auf einmal haben kann - und wo man einzigartig oder nur einer von vielen ist, wie definiert man da eine Beziehung zwischen zwei Menschen? Man redet und lacht, man schweigt und weint, man schreit und hasst, man verzeiht und liebt. Vielleicht wird jede Beziehung erst durch eine andere definiert. In Zeiten, wo man den bekommt den man nicht will und den, den man will nicht haben kann, in Zeiten wo man immer auf etwas Besseres wartet und manchmal nicht bemerkt, dass das Beste schon längst vorbei ist – wie definiert man da, was man sich wünscht? Man genießt und wartet, man verzweifelt und sucht, man kämpft und lächelt, man verliert und gibt auf. Vielleicht wird jeder Wunsch durch die Realität definiert. In Zeiten, wo die meisten viel zu früh von Liebe sprechen und wo doch kaum jemand nach der Trennung befreundet bleibt, in Zeiten, wo man betrogen wird ohne es zu merken, oder wo man eifersüchtig ist ohne einen Grund zu haben – wie definiert man da, was man unter Glück versteht? Man vertraut und ist ehrlich, man misstraut und lügt, man schwärmt und ist blind, man erwacht und sieht die Realität. Vielleicht wird Glück durch das Leben jedes Menschen neu definiert. In Zeiten, wo wenige äußerlich und innerlich schön sind und wo viel zu viele Menschen zu große Kompromisse eingehen, in Zeiten, wo man das was man hat nicht zu schätzen weiß und wo das was man nicht hat vollkommen zu sein scheint – wie definiert man da was Liebe sein soll? Man spielt und verspielt, man gibt und nimmt, man probiert und verwirft, man erinnert sich und vergisst. Vielleicht wird die Liebe durch die Reinheit unseres Herzen definiert.
Hab diese sehr, ähm, interessante Version der Sachlichen Romanze auf der Webiste der Titanic (das Satriremagazin) entdeckt: SACHLICHE ROMANZE (2) Als sie einander zwei Stunden kannten (wie man sich eben nach zwei Stunden kennt) kam die Distanz ihnen plötzlich abhanden wie andern Leuten ein Eurocent. Sie wurden nervös, betranken sich heiter, versuchten zu reden, als ob nichts sei, und dachten doch längst mit dem Unterleib weiter. Irgendwann war dann die Party vorbei. Vom Fenster aus sah man nichts weiter als Regen. Er sagte, es wäre schon viertel nach vier und Zeit, sich irgendwo hinzulegen, ihm sei es egal. Bei ihm oder ihr? Sie fuhren zu ihr mit der ersten Bahn und machten sich schleunigst frei und rammelten los und faßten sich an – erst kam die Frau, und dann kam der Mann – und dann war es auch schon vorbei.
passt das? (hehe) Dich bedecken nicht mit KüssenNur einfach mit einer Decke(die dir von der Schulter geglitten ist),dass du im Schlaf nicht frierst.Später, wenn du erwacht bist,das Fenster zumachenund dich umarmen und dich bedecken mit Küssenund dich entdecken.(Erich Fried)
Hach, es geht doch nichts über ein passendes Gedicht zu dem Bild das du mir gesendet hast, noozle! So schön bist du!Ein Lieblingstraum, aus goldnen Nächten Vortretend, schlank, in ernster Ruh, Den Zauberschleier in der Rechten - So schön bist du! Mein Blick erstaunt und muß sich senken, Mein Herz schließt alle Tore zu, Dem Wunder heimlich nachzudenken- So schön bist du! Hermann Hesse (1877-1962) sabber [/QUOTE]